Theodor Storm – Junge Liebe

Theodor Storm – Junge Liebe

Junge Liebe

Aus eignem Herzen geboren,
Nie besessen, dennoch verloren.

Ihr Aug ist blau, nachtbraun ihr lockicht Haar,
Ein Schelmenmund, wie jemals einer war,
Ein launisch Kind; doch all ihr Widerstreben
Bezwingt ihr Herz, das mir so ganz ergeben.

Schon lange sitzt sie vor mir, träumerisch
Mit ihren Beinchen baumelnd, auf dem Tisch;
Nun springt sie auf; an meines Stuhles Lehne
Hängt sie sich, schmollend ob der stummen Szene.

»Ich liebe dich!« – »Du bist sehr interessant.«
»Ich liebe dich!« – »Ach, das ist längst bekannt!
Ich lieb Geschichten, neu und nicht erfunden -
Erzählst du nicht, ich bin im Nu verschwunden.« -

»So hör! Jüngst träumte mir« – - »Das ist nicht wahr!« -
»Wahr ist’s! Mir träumt’, ich sähe auf ein Haar
Dich selbst straßauf und -ab in Prachtgewändern
An eines Mannes Arm gemächlich schlendern;

Und dieser Mann« – - »der war?« – »der war nicht ich!« -
»Du lügst!« – »Mein Herz, ich sah dich sicherlich -
Ihr senktet Aug in Auge voll Entzücken,
Ich stand seitab, gleichgültig deinen Blicken.«

»Der Mutter sag ich’s!« ruft das tolle Kind
Und springt zur Tür. Da hasch ich sie geschwind,
Und diese frevelhaften Lippen müssen,
Was sie verbrochen, ohne Gnade büßen.

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